Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die krankheitsbedingt kostenaufwändige Ernährung benötigen, können hierfür einen Mehrbedarf erhalten. Im Gegensatz zu den anderen genannten Mehrbedarfen gibt es aber bei der kostenaufwändigeren Ernährung keinen prozentualen Anteil des maßgeblichen Regelsatzes sondern eine Pauschale (weiter unten in der Tabelle zu finden).
Mit dieser Art von Mehrbedarf soll sichergestellt werden, dass der Antragsteller die vom Arzt nicht erlaubten Lebensmittel mit Ersatzprodukten bei (chronischen) Erkrankungen ausgleichen kann. Dabei wurde die Liste der Krankheiten, für die Hartz IV Empfänger einen Mehrbedarf erhalten können, stark reduziert. Der Gesetzgeber sieht eine Gewährung vornehmlich nur noch bei verzehrenden Krankheiten vor, die erhebliche Auswirkungen für den Körper und Organismus haben.
Das Wichtigste in Kürze
Was ist kostenaufwändige Ernährung?
Manche chronische Erkrankungen erfordern eine Umstellung der Ernährungsweise. Hierbei kann es zu deutlichen Mehrkosten gegenüber der gängigen Vollkost kommen. Hartz IV Empfänger können in gewissen Fällen je nach Art der Erkrankung einen Anspruch auf Mehrbedarf geltend machen.
Wie hoch ist der Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung?
Die Höhe des Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung hängt von der Erkrankung ab. Der Gesetzgeber orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge. Je nach Art der Erkrankung erhalten Betroffene zwischen 5 Prozent und 30 Prozent des Regelbedarfs zusätzlich erhalten, um den Mehrbedarf zu decken. Allerdings rechtfertigen nicht alle chronischen Erkrankungen einen Mehrbedarf. Mehr dazu hier.
Anspruchsvoraussetzungen
Ernährungsumstellung muss medizinisch notwendig sein
Einen Anspruch auf diesen Mehrbedarf hat man nur, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der notwendigen kostenaufwändigeren Ernährung (Ernährungsumstellung) und einer Krankheit (drohenden Krankheit) besteht. Dieser Zusammenhang ist mittels eines ärztlichen Attestes nachzuweisen. Aus der ärztlichen Bescheinigung muss die genaue Angabe über die Krankheit sowie die sich hieraus ergebene, notwendige Ernährung. Auch der Zeitraum bzw. der Beginn der Krankheit und der damit verbundenen Mehraufwendungen für die Kost müssen mitgeteilt werden. Dies hat zusätzlich den Vorteil, dass der Mehraufwand auch rückwirkend gewährt werden kann.
Keine gesetzliche Regelung zu Erkrankungen
Welche Kosten für welche Erkrankung zu zahlen sind, ergibt sich nicht aus dem Gesetz, da es in dieser Hinsicht auch keinen Maßstab gibt. Von daher orientiert sich der Gesetzgeber an den Vorgaben bzw. Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Vorsorge. Auch der Begutachtungsleitfaden der Ärzte des öffentlichen Gesundheitswesens Westfalen-Lippe wird in manchen Fällen herangezogen. Welche Mehrbedarfe bei welchen (chronischen) Krankheiten angemessen sind, hat der Deutsche Verein2020 erneut ermittelt. Die festgestellten Bedarfe gelten für 2021 ausgehend von der aktuellen Regelleistung für Alleinstehende (Eck-Regelsatz) in Höhe von 446 Euro monatlich (432 Euro bis 31.12.2020) und ersetzen die Empfehlungen des Vereins aus dem Jahr 2014.
Ärztliche Bescheinigung des Mehrbedarfs
Wer Anspruch auf diesen Mehrbedarf hat, muss sich diesen zunächst ärztlich bescheinigen lassen. Dies geschieht zusammen mit dem Antrag auf diese zusätzliche Leistungen. Hier muss entsprechend das Formular “Anlage zur Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung (zu Abschnitt 3 des Hauptantrags)“, kurz Anlage MEB ausgefüllt und an das Jobcenter übermittelt werden. Dieses Formular halte wir auch auf unserer Seite Hartz 4 Formulare als PDF zum Download und Ausfüllen bereit. Sie können es direkt unter Anlage MEB downloaden und weiternutzen.
Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge
In den Klammern finden Sie die bis zum 31.12.2020 gültigen Beträge.
Art der Erkrankung | Krankenkost/ Kostform | in % der RL | in € pro Monat |
Zöliakie/ Sprue (Durchfallerkrankung bedingt durch Überempfindlichkeit gegenüber Klebereiweiß) | Glutenfreie Kost | 20 | 89,20€ (86,40€) |
Mukoviszidose | Fettreiche und hochkalorische Diät | 30 | 133,80€ (43,20 €) |
Terminale Niereninsuffizienz mit Dialysetherapie | Kalium- und phosphatarme Kost, erhöhter Proteinbedarf | 5 | 22,30€ (86,40€) |
„Schluckstörungen“ | Andickungsmittel | in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen |
Mehrbedarf aufgrund einer verzehrenden Krankheit
Dieser krankheitsbedingte Mehrbedarf für die kostenaufwändigere Ernährung ist nur bei schweren Verläufen der Krankheit oder bei besonderen Umständen zu gewähren.
In den Klammern finden Sie die bis zum 31.12.2020 gültigen Beträge.
Art der Erkrankung | in % der RL | in € pro Monat |
Krebs (bösartiger Tumor) | 10 | 44,60 € (43,20 €) |
HIV-Infektion / AIDS | 10 | 44,60 € (43,20 €) |
Multiple Sklerose (degenerative Erkrankung des Zentralnervensystems, häufig schubweise verlaufend) | 10 | 44,60 € (43,20 €) |
Colitis ulcerosa (mit Geschwürsbildungen einhergehende Erkrankung der Dickdarmschleimhaut) | 10 | 44,60 € (43,20 €) |
Morbus Crohn (Erkrankung des Magen-Darmtrakts mit Neigung zur Bildung von Fisteln und Verengungen) | 10 | 44,60 € (43,20 €) |
Laktoseintoleranz – Milchzuckerunverträglichkeit
Bei der Laktoseintoleranz handelt es sich ebenfalls um eine chronische Erkrankung. Jüngst haben zwei Gerichte hier einen Mehrbedarf zuerkannt. Das Sozialgericht Dresden (S 38 AS 5649/09) sprach monatlich 31 Euro zu, das Sozialgericht Berlin (S 37 AS 13126/12) lediglich 13 Euro.
Ganz anders entschied das Sozialgericht Aachen (S 20 SO 52/11), das einer Leistungsempfängerin bei einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (Asthma bronchiale) den Mehrbedarf für kuhmilchfreie Kost verweigerte – das Berufungsverfahren ist unter dem Az. L 20 SO 347/12 beim LSG Nordrhein-Westfalen anhängig. Auch das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat mich Entscheidung unter dem Az.: L 6 AS 403/14 vom 16.03.2016 einen Mehrbedarf wegen Laktoseintoleranz verneint.
Keinen Mehrbedarf gibt es bei
Bei folgenden Krankheiten ist kein Mehrbedarf für kostenaufwändigere Ernährung vorgesehen, da es sich um Vollkost handelt und davon ausgegangen werden kann, dass diese aus dem Regelbedarf bestritten werden kann:
- Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit – Typ II und Typ I, konventionell und intensiviert konventionell behandelt)
- Dyslipoproteinamien sog. Fettstoffwechselstörungen
- Endometriose
- Fruktosemalabsoption
- Gicht (Erkrankung durch Harnsäureablagerung)
- Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfette)
- Hypertonie (Bluthochdruck)
- Hyperurikämie (Erhöhung der Harnsäure im Blut)
- Kardiale oder renale Ödeme (Gewebswasseransammlung bei Herz- oder Nierenkrankheiten)
- Laktoseintoleranz
- Leberinsuffizienz (Leberversagen)
- Neurodermitis (Überempfindlichkeit von Haut und Schleimhäuten auf genetischer Basis)
- Ulcus duodeni (Geschwür im Zwölffingerdarm)
- Ulcus ventriculi (Magengeschwür)
Empfehlungen des Deutschen Vereins für private und öffentliche Fürsorge e.V.: DV 12/20 AF IV vom 16.09.2020
Letzte Aktualisierung: 10.12.2020