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Bürgergeld Mehrbedarf in Härtefällen

Vater übt mit Tochter Umgangsrecht aus

Im Rahmen von Bürgergeld entsteht in verschiedenen Bereichen Mehrbedarf. So zum Beispiel auch in unabweisbaren, laufenden und besonderen Bedarfen in Härtefällen, die nicht über den Regelbedarf gedeckt werden können, aber unvermeidbar sind. Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs in Härtefällen durch das Jobcenter ist der langfristig oder regelmäßig wiederkehrende Bedarf.

Wann liegt ein besonderer Bedarf (Härtefall) vor?

Ein besonderer Bedarf (Härtefall) liegt vor, wenn er neben den durchschnittlichen Bedarfen, die mit dem Regelsatz beim Bürgergeld abgedeckt sind, in einer besonderen Lebenslage besteht (atypischer Bedarf).

Wichtig: Mehrbedarfe, die bereits nach § 21 Abs. 2 bis 5 SGB II (alle genannten) gewährt werden, können nicht im Rahmen der Härtefallregelung aufgestockt werden.

Atypisch oder erheblich überdurchschnittlich

Der Bedarf ist unabweisbar, wenn er entweder in einer besonderen Situation auftritt und seiner Art nach nicht vom Regelbedarf erfasst ist bzw. einen atypischen Ursprung hat (qualitativer Mehrbedarf) oder zwar grundsätzlich im Regelbedarf enthalten ist, aber im konkreten Einzelfall erheblich überdurchschnittlich ist (quantitativer Mehrbedarf).

Nicht einmalig oder kurzfristig

Dabei handelt es sich bei dem besonderen Bedarf nicht um eine einmalige oder kurzfristige Leistung.

Beispiel: Eine neue Waschmaschine oder die Beschaffung von Winterkleidung gelten als kurzfristige Leistung bzw. einmaliger Bedarf und sind somit keine besondere Bedarfe.

Diese Bedarfe können durch andere Leistungen, beispielsweise durch ein Darlehen vom Jobcenter finanziert werden.

Dauerhaft oder regelmäßig wiederkehrend

Es muss sich um langfristige, dauerhafte oder zumindest regelmäßig wiederkehrende Bedarfe handeln, die nicht aus dem Regelsatz bestritten werden können. Wiederkehrend ist ein Bedarf, wenn er innerhalb des Bewilligungszeitraums mehrmals anfällt. Ein besonderer Bedarf kann beispielsweise in den folgenden Fällen auftreten (nicht abschließend):

  • Pflege- und Hygieneartikel die aus gesundheitlichen Gründen benötigt und ärztlich bescheinigt werden
  • Putz- und Haushaltshilfe bei körperlich stark beeinträchtigten / behinderten Menschen wie Rollstuhlfahrern etc., Voraussetzung ist allerdings, dass die Kosten nicht im Rahmen des SGB XII erstattet werden
  • Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts: hierbei können die Kosten für Fahrten und Übernachtung berücksichtigt werden, die Elternteile aufwenden, um ihre von sich getrennt lebende Kinder zu sehen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Kosten angemessen sind, z.B. bei Nutzung der günstigsten Verkehrsmittel
  • Nachhilfeunterricht: nur soweit, wenn keine kostenlosen Förderprogramme oder Nachhilfestunden genommen werden können; Nachhilfeunterricht kann also nur in Einzelfällen übernommen werden. Darüber hinaus wäre hier auch zu prüfen, ob der Nachhilfeunterricht über Leistungen zur Bildung- und Teilhabe finanziert werden kann.
  • internetfähiges Tablet/ PC Computer für die Schule: Mit Urteil vom 22.05.2020 hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschieden, dass ein internetfähiger Computer bzw. Tablet einen anzuerkennenden unabweisbaren und laufenden Mehrbedarf darstellt. 150 Euro hierfür seien angemessen, um am Digitalunterricht teilzunehmen (Az.: L 7 AS 719/20 B ER, L 7 AS 720/20 B). Allerdings war die Corona-Situation für die Entscheidung maßgeblich. Nachdem diese abgeebbt ist, könnten Gerichte anders entscheiden – zumal Entscheidungen von Landessozialgerichten nicht bundeseinheitlich bindend sind.

Welche Kosten werden nicht als besonderer Bedarf übernommen?

Wie bereits oben angesprochen, können nur Bedarfe übernommen werden, die langfristig, wiederkehrend oder dauerhaft anfallen und zudem nicht über den Regelbedarf abgedeckt sind. Zu den nicht übernehmbaren Bedarfen zählen:

  • Schulmaterialien und -verpflegung (im Regelbedarf enthalten, sowie zusätzlich im Bildungspaket)
  • Schülerfahrkarte (im Regelbedarf)
  • Kleidung und Schuhe in Übergröße (im Regelsatz, alternativ über Darlehen vom Jobcenter)
  • Zusatzbeitrag zur GKV (wird nicht als Härtefall Mehrbedarf übernommen, da der Antragsteller zu einer anderen Krankenkasse wechseln kann oder der Beitrag im Ausnahmefall nach § 26 SGB II übernommen werden kann)
  • Kinderkleidung im Wachstumsalter (im Regelsatz enthalten, Urteil BSG Az. B 14 AS 81/08 R vom 23.03.2010)

Deckung des atypischen Bedarfs mit Einsparungen

Der atypische und überdurchschnittliche Mehrbedarf ist von den Hilfebedürftigen vorrangig durch alle ihnen verfügbaren Mittel zu decken. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere gewährte Leistungen anderer Leistungsträger als der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (z. B. Unterhaltsvorschuss, Leistungen der Kranken- und Pflegekassen), Zuwendungen Dritter (z. B. von Familienangehörigen) und Einsparmöglichkeiten der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen.

Zuwendungen Dritter können in Form von Sach-, Geld- oder Dienstleistungen gewährt werden. Auf die rechtliche Einordnung als Einnahme kommt es insoweit nicht an.

Mehrbedarf über 10 Prozent des Regelsatzes

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Regelsatz als pauschaler Gesamtbetrag gewährt wird, ist es einem Hilfebedürftigen vorrangig zumutbar, einen höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen Lebensbereich auszugleichen. Dies kann bei besonderen Bedarfen, die in der Summe 10% des nach § 20 Abs. 2 Satz 1 maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen, in jedem Fall erwartet werden. 

Mitwirkung des Hilfebedürftigen

Im Übrigen ist eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich. Ein Hilfebedürftiger hat alle Möglichkeiten zur Reduzierung seiner Aufwendungen für besondere Bedarfe zu nutzen.

Beispiel: Bei den Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts ist auf günstige Verkehrsmittel und die Inanspruchnahme von Fahrpreisermäßigungen zu achten. 

Erwerbseinkommen

Wird Erwerbseinkommen erzielt – sog. Aufstocker – so bleibt dieses auch bei der Berechnung von Leistungen für besondere, laufende Bedarfe in Höhe des Erwerbstätigenfreibetrags nach § 11b SGB II außer Betracht. Der Freibetrag bei Erwerbstätigkeit ist weiterhin von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzusetzen.

Titelbild: 4 PM production / shutterstock.com