Die Karenzzeit ist eine der Neuerungen, die mit dem Bürgergeld zum 01.01.2023 eingeführt wurden. Sie beginnt am Ersten des Monats, für den erstmalig Bürgergeld bezogen wurde. Eingeführt wurde die Karenzzeit als Übergangszeit und soll im ersten Jahr des Bürgergeld-Bezuges verhindern, dass sich Betroffene direkt mit der Angst vor dem Verlust der Wohnung und des Vermögens konfrontiert sehen, indem Sonderregelungen bei den Wohnkosten und erhöhte Freibeträge auf das Vermögen gelten. So wurde die Angemessenheitsprüfungen für die Kosten der Unterkunft ausgesetzt und Freibeträge für das eigene Vermögen hochgesetzt wurden.
Die Karenzzeit gilt für alle Bedürftigen, die erstmals Bürgergeld erhalten oder beantragen, also auch Hilfebedürftige, die vor der Einführung des Bürgergeldes auf Hartz IV angewiesen waren.
Hinweis: Ursprünglich war im Gesetzesentwurf zum Bürgergeld eine Karenzzeit von zwei Jahren bzw. 24 Monaten vorgesehen. Diese wurde dann aufgrund eines Kompromisses zwischen der Regierung und der Opposition massiv beschnitten.
Inhaltsverzeichnis
Gesetzlichen Grundlagen für die Karenzzeit
Gesetzlich verankert ist die Karenzzeit, mit der die zur Corona-Pandemie geschaffenen Erleichterungen leicht abgewandelt fortgeschrieben werden, in den §§ 12, 22 und 65 des SGB II. Konkret: § 12 SGB II regelt das beim Bürgergeld zu berücksichtigende Vermögen – auch als sog. Schonvermögen bezeichnet. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden im § 22 SGB II geregelt und § 65 SGB II umfasst die anlässlich der Einführung des Bürgergelds geltenden Übergangsregeln.
Einen separaten Abschnitt, der sich ausschließlich mit der Karenzzeit befasst, gibt es im SGB II nicht.
Dauer der Karenzzeit
Die Karenzzeit dauert ein Jahr und beginnt am Ersten des Monats des erstmaligen Leistungsbezugs des Bürgergeldes. Da dieses zum 01. Januar 2023 eingeführt wurde, gilt für alle Bedürftigen die Karenzzeit bis mindestens zum Ablauf des 31. Dezember 2023 – Die Überprüfung der Angemessenheit der Wohnkosten (ohne Heizung) erfolgt frühestens ab dem 01. Januar 2024. Selbiges gilt für die Regelung zum „erheblichen“ Vermögen.
Verlängerung der Karenzzeit bei Unterbrechung
Die Karenzzeit verlängert sich, wenn der Leistungsbezug für mindestens einen Monat unterbrochen wird, um den entsprechenden Zeitraum – bei einem Monat ohne Leistung um einen vollen Monat, bei zwei Monaten um zwei volle Monate usw.
Neue Karenzzeit nach 36 Monaten
Wenn mehr als 36 Monate (drei Jahre) keine Bürgergeld-Leistungen nach dem SGB II oder Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung nach SGB XII bezogen wurden, beginnt eine neue einjährige Karenzzeit.
Dabei gilt im Kontext der Übergangszeit eine Ausnahme: Wird das Bürgergeld aufgrund des Einkommens nur für einen Monat gewährt, greift keine Karenzzeit.
Schutz des Vermögens
Mit der Karenzzeit werden hauptsächlich zwei Ziele verfolgt. Eines ist der Schutz des Vermögens während der ersten zwölf Monate des Bürgergeld-Bezuges. Die Regelungen hierzu finden sich in § 12 SGB II. Der Schutz erstreckt sich allerdings nur auf Vermögen, welche als nicht erheblich eingestuft werden. Hierzu wurden Grenzwerte festgelegt. Als nicht erheblich gelten Vermögen beim Bürgergeld in Höhe von:
- 40.000 Euro der leistungsberechtigten Person
- 15.000 Euro je weiterer Person in der Bedarfsgemeinschaft
Neu beim Bürgergeld ist zudem die Möglichkeit, nicht ausgenutzte Freibeträge auf andere Personen in der selben Bedarfsgemeinschaft zu überragen. Der Vermögensfreibetrag ist als Gesamtsumme anzusehen, der sich aus der Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergibt. Dies gilt auch nach Ablauf der Karenzzeit, dann gelten für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft 15.000 Euro als Schonvermögen.
Beispiel: Die leistungsberechtigte Person besitzt ein Vermögen von 45.000 Euro und die zweite Person in der Bedarfsgemeinschaft 10.000 Euro. In dem Fall würden 5.000 Euro Freibetrag auf die leistungsberechtigte Person übertragen, da die Gesamtsumme 40.000 Euro plus 15.000 Euro (55.000 Euro gesamt) nicht übersteigt.
Selbstgenuztes Wohneigentum wird nicht berücksichtigt
Bei der Ermittlung des Schonvermögens von 40.000 Euro für den Haushaltsvorstand und jeweils 15.000 Euro für jede weitere Person der Bedarfsgemeinschaft werden selbst genutzte Grundstücke, Immobilien oder Eigentumswohnung nicht berücksichtigt, unabhängig ihrer Größe. Nachweise zum Vermögen müssen nur vorgelegt werden, wenn das Jobcenter dazu auffordert.
Schutz des Wohnraums
Der zweite Bereich, für den die Karenzzeit relevant ist: der Wohnraum. Normalerweise muss die Unterkunft von Personen, die Bürgergeld beziehen, angemessen sein. Diese Angemessenheit wurde bei Hartz IV – abgesehen von der Übergangsregelung aufgrund der Corona-Maßnahmen – geprüft. Dabei geht es zum einen um die Größe der Wohnung beziehungsweise des Hauses und zum anderen um die Bruttokaltmiete (Kaltmiete zuzüglich kalter Nebenkosten, ohne Heizkosten). Dazu gibt es lokal unterschiedliche Vorgaben in den örtlichen Richtlinien, die weitgehend auf den örtlichen Mietspiegeln beruhen.
Keine Prüfung der Angemessenheit bei Wohnkosten
Im Rahmen der Karenzzeit wird darauf verzichtet, die Angemessenheit der Wohnung zu prüfen. Das heißt: Die Bruttokaltmiete in der einjährigen Karenzzeit wird in tatsächlicher Höhe vom Jobcenter übernommen. Es wird seitens des Leistungsträgers kein Kostensenkungsverfahren eingeleitet, sollte die Wohnung zu groß oder zu teuer sein. Dieser Schritt folgt erst nach Ablauf der zwölf Monate, frühestens 2024.
Nur angemessene Heizkosten werden übernommen
Ursprünglich war im ersten Gesetzesentwurf zum Bürgergeld vorgesehen, dass sowohl Wohn- als auch Heizkosten in der Karenzzeit in Höhe der tatsächlichen Kosten und ohne Angemessenheitsprüfung von den Jobcentern übernommen werden. Da die Opposition aus CDU und CSU aber medienwirksam unterstellte, dass Bürgergeld-Bedürftige die Heizthermostate ohne Rücksicht auf die Kosten hochdrehten, fügte sich die Regierung und dampfte den Verzicht auch die Angemessenheitsprüfung bei den Heizkosten wieder ein. Damit werden die Heizkosten auch in der Karenzzeit nur im angemessenen Umfang übernommen. Da sich die Heizkosten unter anderem nach der Größe der Wohnung richten, gilt zunächst:
Richtschnur für die Angemessenheit der Wohnkosten ist in den ersten zwölf Monaten des Leistungsbezugs die tatsächliche Wohnfläche, an denen sich auch die Angemessenheit der Heizkosten orientiert.
Bürgergeld: Heizkosten in der Karenzzeit verursachen Mehrarbeit
Beispiel: Ein Bürgergeld-Bedürftiger ist alleinstehend und bewohnt eine 80 qm große Wohnung. Aufgrund des Verzichts der Angemessenheitsprüfung in der Karenzzeit werden die Wohnkosten für diese Wohnung in tatsächlicher Höhe vom Jobcenter ein Jahr übernommen. Die Heizkosten würden dann als angemessen gelten, wenn sie nicht höher sind als der Durchschnitt in einer 80 qm großen Wohnung.
Nur, wenn die tatsächliche Wohnfläche kleiner sein sollte, als die angemessene Wohnfläche, wird mit der angemessenen Wohnfläche gerechnet.
Hinweis: Das Jobcenter muss in der Karenzzeit für die Wohnungsgröße die angemessenen Heizkosten zahlen, für die es auch die tatsächlichen Wohnkosten zahlt. Wohnt bspw. ein alleinstehender Hilfebedürftiger – wie im obigen Beispiel – in einer 80 qm Wohnung, welche vom Jobcenter bezahlt wird, darf der Leistungsträger die Übernahme der Heizkosten nicht absenken, weil z.B. nur 50 qm angemessen wären.
Kostensenkung nach Ablauf der Karenzzeit
Nach Ablauf der Karenzzeit wird das Jobcenter die Bürgergeld-Bedürftigen auffordern, die Wohnkosten auf eine angemessene Höhe zu senken – sei es durch Umzug in eine kleinere Wohnung oder durch Untervermietung. Dieses sog. Kostensenklungsverfahren dauert allerdings auch mindestens sechs Monate. Nach Ablauf bzw. Beendigung des Kostensenkungverfahrens – und wenn die Leistungsbedürftigen die Wohnkosten schuldhaft nicht gesenkt haben – würde das Jobcenter nur die Wohnkosten für eine angemessen große und teure Wohnung übernehmen – dies gilt dann auch für die Heizkosten, die sich dann an der angemessenen Wohnungsgröße orientieren.
Angemessenheit bei Hartz IV überschritten
Für den Wohnraum gilt nach § 65 Abs. 6 SGB II keine Karenzzeit, wenn für die aktuell bewohnte Wohnung bereits in einem vorherigen Bewilligungszeitraum die angemessenen und nicht die tatsächlichen Unterkunftskosten vom Jobcenter als Bedarf festgestellt worden sind. Dies gilt für alle Bedürftigen, die schon vor der Einführung des Bürgergeldes auf Hartz IV angewiesen waren und einen Teil der Miete aus dem Regelsatz bestreiten müssen, weil die Wohnung in Größe und Preis über den Angemessenheitsgrenzen lag.
Wurden diese Wohnkosten bereits vom Jobcenter festgestellt, erhalten ehemalige Hartz IV Bedürftige, die jetzt Bürgergeld erhalten, keine höheren Wohnkosten ausgezahlt. Dennoch lohnt es sich eine neue Angemessenheitsprüfung vom Jobcenter durchführen zu lassen. Aufgrund der Wohngeldreform „WohngeldPlus“, die parallel zum Bürgergeld zum 01.01.2023 beschlossen wurde, haben sich die Mietobergrenzen teilweise stark erhöht, wovon auch nun Bedürftige im SGB II profitieren könnten.
Umzug während der Karenzzeit
Ein grundloser Umzug in eine teurere Wohnung, um von der Karenzzeit zu profitieren, ist ausgeschlossen. Um sicherzustellen, dass das Jobcenter höhere Kosten als die angemessenen als Bedarf für eine neue Wohnung übernimmt, muss im Vorfeld vor dem Umzug und Unterschrift im Mietvertrag die Zusicherung des Leistungsträgers eingeholt werden – anderenfalls werden nur die angemessenen Kosten übernommen.
FAQ zur Karenzzeit zusammengefasst
Was ist die Karenzzeit beim Bürgergeld?
Mit der Einführung des Bürgergeldes zum 01.01.2023 wurde auch eine einjährige Karenzzeit eingeführt. In diesen ersten zwölf Monaten des Bürgergeld-Bezuges gelten Sonderregelungen bei der Übernahme der Wohnkosten sowie der Höhe des Vermögens der Bedarfsgemeinschaft – So will man mit der Karenzzeit erreichen, dass Hilfebedürftige nicht sofort einen Großteil des vorhandenen Vermögens einsetzen müssen oder aufgrund zu hoher Wohnkosten aus der bestehenden Wohnung ausziehen müssen.
Gilt die Karenzzeit auch für Hartz IV Bedürftige?
Die Karenzzeit wurde für alle neuen Hilfebedürftigen eingeführt, die erstmals Bürgergeld beziehen. Darin sind auch Hartz IV Bedürftige einbezogen, die ebenfalls ab dem 01.01.2023 von der einjährigen Karenzzeit profitieren.
Quellen: