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Bürgergeld: Darf das Jobcenter Kontoauszüge einsehen?

Kontoauszug

Beim Bürgergeld Antrag ist die Prüfung der Hilfebedürftigkeit anhand des Vermögens und des Einkommens elementar. Mit Hilfe von Kontoauszügen lassen sich eingehende Zahlungen nachverfolgen, doch enthalten diese ebenso äußerst sensible Daten.

Darf das Jobcenter die Vorlage von Kontoauszügen verlangen?

Ja. Die Rechtsgrundlage ergibt sich unter anderem aus § 60 Abs. 1 SGB I, die sich auf Angabe von allen relevanten Daten in Bezug auf die Beantragung von Sozialleistungen ergibt sowie aus § 67a Abs. 1 S. 1 SGB X, der die Zulässigkeit der Erhebung von Daten im Zusammenhang mit der Leistungsbeantragung regelt.

Die Vorlage der Kontoauszüge bzw. Kontoübersichten ist mit einer Datenerhebung gleichzusetzen, die zur Erfüllung einer Aufgabe des Jobcenters – der vorgeschriebenen Prüfung der Hilfebedürftigkeit – notwendig ist. Ohne Einsicht in die Kontoauszüge, lassen sich relevantes Einkommen und Vermögen nur umständlich oder gar nicht prüfen – dies gilt sowohl für den Erstantrag als auch den Weiterbewilligungsantrag (Folgeantrag). Die Kontoauszüge müssen nicht im Original sondern als Kopie beim Jobcenter vorgelegt werden.

Wichtig: Wie es in den Fachlichen Hinweisen zu § 37 SGB II heißt, müssen Jobcenter reine Umsatzübersichten, die gefiltert oder nicht vollständig sind, nicht akzeptieren, da deren Aussagekraft mit Kontoauszügen nicht gleichzustellen ist.

PayPal gilt auch als Konto

Zu den Kontoauszügen zählen mittlerweile auch PayPal Konten. Hier können die Jobcenter mittlerweile auch die Einsicht in ein PayPal Konto verlangen, wenn sie den Verdacht haben, dass Bürgergeld Bedürftige darüber Zahlungen abwickeln, beispielsweise beim Handel über eBay, Kleinanzeigen, etsy etc. Hinweise zur Vorlage eines PayPal-Kontos finden sich auch in der Anlage VM zum Bürgergeld Antrag bzw. Weiterbewilligungsantrag.

Lesetipp: Bürgergeld: Kontoauszüge schwärzen

Vorlage ohne Angabe von Gründen

Es braucht für die Vorlage der Kontoauszüge keine Verdachtsmomente auf möglichen Leistungsmissbrauch oder Leistungsbetrug. Gründe für die Vorlage der Kontoauszüge muss das Jobcenter daher nicht nennen, da der bloße Antrag auf Bürgergeld bzw. Sozialleistungen den Grund der Prüfung liefern. So hatte auch bereits das Bundessozialgericht in den Fällen Az.: B 14 AS 45/07 R und Az.: B 4 AS 10/08 R entschieden, dass Jobcenter bei Beantragung von Leistungen keine weitere Begründung für die Aufforderung zur Vorlage von Kontoauszügen benennen müssen – Hintergrund ist die Überprüfung der Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 7 SGB II sowie § 9 SGB II. Dies gilt im Allgemeinen beim:

Ohne konkreten Antrag oder Anlass darf die Vorlage der Kontoauszüge nicht gefordert werden. Ebenso wenig, wenn der Sachverhalt mit weniger Aufwand geklärt werden könnte (Prinzip der Datenvermeidung und Datensparsamkeit – § 78 b SGB X).

Fehlende Mitwirkung bei Verweigerung der Vorlage

Die Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff SGB I gelten auch für Bürgergeld Bedürftige im SGB II. Die Verweigerung der Vorlage von Kontoauszügen wäre demnach fehlende Mitwirkung und ein Grund für das Jobcenter, die Zahlung von Leistungen zu verweigern – weil die Anspruchsberechtigung nicht nachprüfbar ist. Nicht desto trotz muss das Jobcenter über den Antrag entscheiden und würde in diesem Fall einen Ablehnungsbescheid erlassen.

Zeitraum der Kontoauszüge

3 Monate im Regelfall

Aus dem BSG Urteil (Az.: B 14 AS 45/07 R) geht hervor, dass Hilfebedürftige bei Aufforderung zum Antrag verpflichtet sind, die Kontoauszüge der letzten drei Monate vorzulegen. Die Antragshilfen der Jobcenter weisen bereits darauf hin, dass den Formblättern entsprechende Nachweise beizulegen sind.

Gemäß einer Weisung der Bundesagentur für Arbeit zu § 37 SGB II Antragserfordernis dürfen sich Jobcenter allerdings das Recht vorbehalten, die Kontoauszüge der letzten 6 Monate zu verlangen. Dies ist aber keine generelle Bindung an sechs Monate sondern eine Kannvorschrift, die im Ermessen des Sachbearbeiters des Jobcenters liegt. Nur wenn es für die Sachverhaltsaufklärung zum Antrag zwingend erforderlich ist, sollen bis zu sechs Monate angefordert werden – anderenfalls soll ein kürzerer Zeitraum gewählt werden.

6 Monate bei Aufstockern und Selbständigen

Sofern Bürgergeld aufstockend mit wechselnden Einkünften bezogen wird, dürfen im Zuge des Antrags die Kontoauszüge der letzten 6 Monate verlangt werden (BSG vom 15.07.2010, Az. B 14 AS 45/10B).

Ebenso müssen selbstständige Leistungsbeziehende regelmäßig die Kontoauszüge der vergangenen 6 Monate vorlegen, um die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben des vergangenen Bewilligungszeitraumes (in der Regel 6 Monate) nachzuweisen.

Hintergrund ist, dass bei Aufstockern (angestellt oder selbständig) mit wechselndem Einkommen Bürgergeld nur vorläufig gewährt wird. Erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraums wird anschließend endgültig über die Höhe der Leistungen entschieden.

6 Monate, 12 Monate und bis zu 36 Monate (3 Jahre)

Bei begründeten Zweifeln an der Hilfebedürftigkeit und Verdacht auf sozialwidriges Verhalten bzw. Leistungsmissbrauch dürfen in Einzelfällen die Kontoauszüge für einen deutlich längeren Zeitraum verlangt werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Entsch. vom 19.12.2014, Az. L 2 AS 267/13: sechs Monate; LSG Sachsen-Anhalt, Entsch. vom 19.01.2011, Az. L 5 AS 452/10 B ER: drei Jahre bei Verdacht einer Erbschaft).

Datenerhebung vs. Datenspeicherung

Die Datenerhebung ist zwar zulässig, die Speicherung der Daten aber grundsätzlich nicht. So dürfen Kopien der Kontoauszüge von Jobcentern nur mit dem Zweck erstellt werden, dass der Sachbearbeiter diese sichtet und daraufhin vernichtet.

Bereits in der Aufforderung zur Vorlage der Kontoauszüge, muss der Leistungsempfänger schriftlich über das mögliche Kopieren zwecks Prüfung und die anschließende Vernichtung aufgeklärt werden.

Falls auf dem Kontoauszug ein für den Bewilligungszeitraum relevantes Datum oder die Höhe eines anzurechnenden Einkommens vermerkt ist, darf eine Kopie des Kontoauszugs als Nachweis gespeichert (§ 67 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 SGB X) und alle nicht relevanten Beträge darauf geschwärzt werden.

Für die Feststellung des Leistungsanspruches ist es ausreichend, wenn das Jobcenter nach Vorlage der Kontoauszüge einen Vermerk in der Akte macht, dass die Auszüge vorlagen und keine Einschränkung des Leistungsanspruchs besteht.

Titelbild: tete_escape / shutterstock.com