Alles anzeigenZur Rückkehr privat versicherter Rentenbezieher/innen in die GKV (Krankenversicherung der Rentner = KVdR) und Anrechnung von Kindern beim Zugang zur KVdR
Von Claudia Mehlhorn und Klaus Rohsmöller
Neuregelung Anrechnung von Kindern für die VVZ in der KVdR ab 1.8.2017 (§ 5 (2))
M.W.v. 1.8.17 wurden die Modalitäten für die Berechnung der VVZ für die KVdR geändert:
Nunmehr werden pauschal für jedes Kind 3 Jahre VVZ für die KVdR berücksichtigt.
Die neue Regelung ist interessant für alle, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen
(egal, was für eine Rente das ist) und entweder
- freiwillig versichert
- pflichtversichert gem. § 5 (1) Nr. 13 mit zu zahlendem Auffüllbeitrag
- privat versichert oder
- gar nicht versichert sind (§ 264-Fälle).
Diese Gesetzesänderung wird in sehr vielen Fällen zum Zugang zur KVdR führen - dies nicht nur bei Frauen, denn es geht nicht um Erziehungszeiten! Ab 8 Kindern (und z.B. nur Mütterrente) sind die VVZ für die KVdR bspw. erfüllt, auch wenn die Frau in ihrem Leben niemals gesetzlich krankenversichert war!
Weiterhin ist die KVdR ist bis zu einer Rentenhöhe von knapp 1000,00 Euro immer günstiger als die freiwillige KV und immer günstiger als der PKV-Basistarif.
Welche Kinder werden unter welchen Umständen berücksichtigt?
Berücksichtigt werden leibliche Kinder, Stiefkinder und Pflegekinder - nicht aber Enkelkinder. Nicht relevant ist, wer das Kind erzogen hat und es ist auch egal, wo das Kind gelebt und wie lange es gelebt hat. Weiterhin werden die 3 Jahre sowohl bei der Mutter als auch beim Vater (bzw. ggf. sogar doppelt bei dem leiblichem und dem Stiefelternteil bzw. dem leiblichen und dem Pflegeelternteil) angerechnet.
Ein Stiefkind ist das Kind eines Elternteils, der durch eine (neue) Heirat mit dem leiblichen Vater oder der leiblichen Mutter des Kindes verbunden ist, ohne dass das Kind von jenem Elternteil gezeugt oder geboren worden ist. Es ist nicht erforderlich, dass es sich um ein bereits in die Ehe eingebrachtes Kind des anderen Ehegatten handelt; Stiefkind ist auch ein während der Ehe geborenes Kind des anderen Ehegatten, dessen Ehelichkeit mit Erfolg angefochten worden ist (BSG, Urteil vom 14.07.1977, 4 RJ 107/76). Stiefkinder sind auch die Kinder eines eingetragenen Lebenspartners des Mitglieds.
Selbst wenn Stiefkinder aus einer Ehe stammen, die bereits geschieden ist, gelten diese Kinder weiterhin als Stiefkinder des nunmehr geschiedenen Ehegatten. § 1589 BGB i.V.m. § 1590 BGB:
(1) Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach der Linie und dem Grade der sie vermittelnden Verwandtschaft. 2
(2) Die Schwägerschaft dauert fort, auch wenn die Ehe, durch die sie begründet wurde, aufgelöst ist.
Anträge, Einreichung von Unterlagen und Bearbeitungspflicht der Kassen
Die neue Regelung greift auch für Bestandsrentner, allerdings muss jeder im Einzelfall einen Antrag auf Prüfung bei der Kasse stellen.
Das Vorhandensein von Kindern muss gegenüber der Kasse durch geeignete Unterlagen nachgewiesen werden. I.d.R. wird dies eine Geburtsurkunde sein, infrage kommt aber z.B. auch ein Scheidungsurteil bzw. bei Pflegekindern eine konkrete Pflegeerlaubnis oder ein Pflegevertrag.
Die Kassen bearbeiten Anträge ohne Unterlagen entweder mit immenser Zeitverzögerung oder auch überhaupt nicht und versenden auch keine Schreiben mit einer Aufforderung, Nachweise einzureichen. Eine Nichtbearbeitung ist rechtswidrig (s.a. GLP 24.24), es greifen die §§ 8 und 20 SGB X und 88 SGG.
Beginn der Mitgliedschaft
Bei Erfüllung der Voraussetzungen beginnt die KVdR dann in allen Fällen ab dem 1.8.2017 (auch wenn die Entscheidung der Kasse ggf. früher oder später per Bescheid ergeht). Eine PKV kann mit Sonderkündigungsrecht gem. § 205 VVG gekündigt werden; eine freiwillige KV wird gem. § 191 SGB V von der KVdR verdrängt, ohne dass man kündigen muss.
Anwendung der sog. 55er-Regelung (§ 6 (3a))
Auch bei der Prüfung der KVdR aufgrund der Neuregelung muss ein ggf. vorliegender Ausschluss gem. § 6 (3a) geprüft werden. Die Kassen machen deutschlandweit allerdings grundsätzlich Probleme bei Antragstellern über 55 Jahren, die bislang privat oder gar nicht versichert waren. Sie verschicken Ablehnungsbescheide mit dem Hinweis, die Pflichtversicherung würde nicht eintreten, da das 55. Lebensjahr vollendet wurde und in den letzten 5 Jahren keine gesetzliche Versicherung bestanden hat.
Die Ablehnung zielt auf den Ausschluss im § 6 (3a), die sog. 55er-Regelung. Bei diesem Ausschluss ist noch nicht einmal 1 Tag GKV-Versicherung in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Pflichtversicherung (da die KVdR in diesen Fällen immer zum 1.8.17 beginnt, läuft diese Frist vom 1.8.2012 bis zum 31.7.17) eine der Voraussetzungen für den Ausschluss der Versicherungspflicht. Allerdings kommt als weitere Voraussetzung für einen Ausschluss hinzu, dass mind. 2,5 Jahre in dieser Frist entweder eine hauptberufliche Selbständigkeit, eine Versicherungsfreiheit (z.B. als Beamter) oder eine Befreiung von der Versicherungspflicht vorgelegen haben muss. Dieses weitere Kriterium wird von den Kassen weder abgefragt noch gar geprüft und auch nicht im Bescheid aufgeführt.
Ich rate daher dringend, in diesen Fällen Widerspruch einzulegen, wenn die 2. Voraussetzung nicht vorliegt. Selbstverständlich müssen die Kassen diese Möglichkeit prüfen und es mag auch Einzelfälle geben, bei denen der Ausschluss greift, aber die 3
Prüfung darauf zu beschränken, ob in den letzten 5 Jahren eine gesetzliche Versicherung bestanden hat, ist absolut rechtswidrig.
Ausschluss von sog. Optionsrentnern (§ 9 (1) Nr. 6)
Wer als sog. Optionsrentner in der Zeit vom 1.4.02 bis zum 30.9.02 anstatt der KVdR die freiwillige Versicherung gewählt hat, für den kommt – wenn sich die Rentenart nicht verändert hat – der Zugang zur KVdR seit 1.8.17 nicht infrage, da die damalige Wahl bindend ist. Allerdings muss damals auch ein schriftlicher Beitritt zur freiwilligen Versicherung erfolgt sein (Ausübung des Wahlrechtes zwischen KVdR und freiwilliger KV und schriftlicher Beitritt gem. § 188 (3)). Mir sind Fälle bekannt, bei denen damals in 2002 der Versicherte nicht auf die Aufforderung der Kasse, zu wählen, reagiert hat und die Kasse einfach „eigenmächtig" eine freiwillige Versicherung eingetragen hat. Dies würde nicht zu einem Ausschluss der jetzigen KVdR führen. Ebenfalls wird die damalige Bindung der Wahl durch den Hinzutritt einer weiteren Rente oder die Veränderung einer Rente (z.B. von EM-Rente auf Altersrente) gelöscht.
Berücksichtigung aller VVZ
Wichtig ist natürlich, dass die Kasse alle Versicherungszeiten korrekt erfasst hat. Der Versicherungsverlauf der DRV weist nur die Pflichtzeiten aus. Es müssen aber auch freiwillige und Fami-Zeiten (von allen beteiligten Kassen) berücksichtigt werden. Daher müssen ggf. von den beteiligten Kassen Nachweise über die Versicherungszeiten eingereicht werden.
Die Kassen führen die Mitgliedsdaten im sog. Versichertenverzeichnis (§ 288). Zur Aufbewahrungsfrist gibt es ein BE (Besprechungsergebnis) der Spitzenverbände der KV vom 29./30.10.2002, TOP 9: Die Versichertenverzeichnisse sollen mindestens 25 Jahre aufbewahrt werden, damit eine Prüfung der VVZ zur KVdR ordnungsgemäß erfolgen kann. Tatsächlich vernichten die meisten Kassen die Mitgliedsdaten, wenn eine (erstmalige) Prüfung der KVdR erfolgt ist.
Tag der Rentenantragstellung
Weiterhin relevant ist der Tag der Rentenantragstellung, wenn z.B. die Rentenart wechselt (von EM-Rente auf Altersrente) oder Folgerentenanträge gestellt werden (z.B. bei befristeten EM-Renten). Dann verändert sich der Tag der Rentenantragstellung jedes Mal und die Voraussetzungen der KVdR müssen in jedem Fall neu berechnet werden. Dies wird von den Kassen i.d.R. falsch gemacht.
Berechnung der nötigen VVZ – KVdR-Rechner
Bei der Berechnung der VVZ für die KVdR hilft der KVdR-Rechner von Herrn Rohsmöller - er liegt nun überarbeitet vor und wirft bei der Berechnung bei Angabe von Kindern automatisch die 3 Jahre pro Kind zusätzlich aus.