Zum Inhalt springen

Einstweilige Anordnung

Gegen einen fehlerhaften oder nicht gerechtfertigten Bürgergeld Bescheid kann im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Widerspruch erhoben werden. Wenn daraufhin kein zufriedenstellender Widerspruchsbescheid erlassen wird, kann als nächster Schritt sogar Klage erhoben werden.

Dieser Prozess ist recht langatmig, weshalb in dringenden Fällen – und die Sicherung des Lebensunterhalts mit Bürgergeld ist so einer – per Eilantrag bzw. der einstweiligen Anordnung eine Beschleunigung des Verfahrens erwirkt werden kann.

Widerspruchsverfahren oft sehr lang

Allerdings ist so ein Verfahren überaus zeitintensiv. Bis es überhaupt zur Klage beim Sozialgericht kommt, vergehen Monate. Denn gegen einen nicht gerechtfertigten bzw. fehlerhaften Bescheid muss erst einmal Widerspruch erhoben werden. Die Mitarbeiter des Jobcenters haben dann bis zu drei Monate Zeit, den Widerspruch zu prüfen und einen Widerspruchsbescheid zu erlassen – sollte dieser keine Abhilfe schaffen, bleibt nur der Gang vor das Sozialgericht mit einer Klage gegen das Jobcenter – und bis es hier zu einer Entscheidung kommt, können weitere Monate wenn nicht sogar Jahre vergehen, wenn es über mehrere Instanzen geht.

Angesichts der hohen Fehlerquote der Jobcenter, insbesondere nach der Umstellung von Hartz IV auf Bürgergeld in 2023, lohnt es sich, seinen Bescheid zu überprüfen und bei kleinsten Unstimmigkeiten Widerspruch zu erheben. Die Erfolgsquote liegt bei fast 50 Prozent zu Gunsten des Hilfebedürftigen.

Notlage durch Sanktionen

Diese lange Zeitspanne kann Menschen, die bereits am Existenzminimum leben, in eine tatsächliche Notlage bringen. Verhängt das Jobcenter bspw. Bürgergeld Sanktionen und kürzt den Regelsatz, so haben Hilfebedürftige noch weniger finanzielle Mittel zur Verfügung, um ihren Lebensunterhalt zu sichern – dies stellt eine akute finanzielle Notlage dar.

In so einer Situation kann natürlich nicht monatelang gewartet werden, bis der Bedürftige im Widerspruchsverfahren endlich zu seinem Recht kommt.

Dafür gibt es die Möglichkeit der einstweiligen Anordnung, auch Eilverfahren oder Eilrechtsschutz genannt, welche parallel zum Widerspruch beantragt werden kann.

Was ist ein Eilverfahren?

Das Eilverfahren nach § 86b SGG soll verhindern, dass der Kläger durch die zeitaufwendige Entscheidung eines widersprochenen oder angeklagten Bescheides in eine Notsituation gerät.

Wird ein „Eilantrag“ beim Sozialgericht eingereicht, wird innerhalb kürzester Zeit eine einstweilige Anordnung bewirkt. Hierbei handelt es sich um eine vorläufige Entscheidung des Gerichts, welche längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache (Widerspruchsverfahren) rechtskräftig ist.

Hartz IV - Eilverfahren

Arten von einstweiligen Anordnungen

Es gibt zwei verschiedene Arten von einstweiligen Anordnungen:

1. Anordnung der aufschiebenden Wirkung

Das Sozialgericht kann im Eilrechtsschutz anordnen, dass für einen widersprochenen oder angefochtenen Bescheid, beispielsweise ein Sanktionsbescheid, aufschiebende Wirkung nach § 86b Abs. 1 SGG besteht.

Eine solche aufschiebende Anordnung ist i. d. R. nicht notwendig, da ein Widerspruch laut Gesetz sowieso eine aufschiebende Wirkung hat. Beim Bürgergeld ist diese aufschiebende Wirkung jedoch ausdrücklich ausgenommen (§ 39 SGB II), so dass Verwaltungsakte zunächst vollzogen werden können – und später, nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens ggfls zurückgenommen werden.

Dies bedeutet, dass die in z.B. einem Sanktionsbescheid festgelegten Leistungskürzungen erst einmal so lange gültig und rechtskräftige sind, bis im Klageverfahren neu darüber entschieden wird.

Nutzen für Kläger wichtige Voraussetzung

Die aufschiebende Wirkung kann nur angeordnet werden, wenn das Aufschieben eines Bescheides einen Nutzen für den Kläger hat. Und das ist nur dann der Fall, wenn der angefochtene Verwaltungsakt in eine sogenannte „bestehende Rechtsposition“ greift.

Beispielhaft hierfür wäre, dass dem Hilfebedürftigen in der Vergangenheit bereits per Bescheid eine Leistung zugesichert wurde, diese nun aber per neuem/ ergänzenden Bescheid vollständig oder teilweise gekürzt wird.

Der neue Bescheid greift dadurch also in die bestehende Rechtsposition des bisherigen Bescheides ein. Mit der aufschiebenden Wirkung kann die Wirkung des neuen Bescheides aufgeschoben werden, sodass der bisherige Bescheid bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens seine Gültigkeit behält. Beispiele:

  • Dem Hilfebedürftigen wird per Bewilligungsbescheid Bürgergeld für sechs Monate zugesichert.
  • Nach zwei Monaten erlässt das Jobcenter einen Sanktionsbescheid, wodurch die Leistungen für zwei Monate gekürzt werden.
  • Der Bürgergeld Empfänger widerspricht dem Sanktionsbescheid – gleichzeitig wird aufschiebende Wirkung beantragt.
  • Das Sozialgericht stimmt der aufschiebenden Wirkung zu, sodass der Bewilligungsbescheid bis zum Hauptverfahren weiterhin gültig ist und der Sanktionsbescheid (erst einmal) aufgeschoben wird.

2. Einstweilige Anordnung

Die einstweilige Anordnung nach § 86 Abs. 2 SGG sorgt dafür, dass eine Behörde zu einem bestimmten Handeln verpflichtet wird. Auf diesem Wege kann das Jobcenter beispielsweise zu einer bestimmten Leistung verpflichtet werden – auch, wenn dieses eigentlich einen Ablehnungsbescheid erlassen hat, dem dann widersprochen wurde.

Ohne diese einstweilige Anordnung würde der Hilfebedürftige solange ohne Bürgergeld-Leistungen dastehen, bis die Leistungen entweder im anschließenden Widerspruchsbescheid zugesagt werden oder ein entsprechendes Gerichtsurteil erlassen wurde.

Voraussetzungen für einstweiligen Rechtsschutz

Generell gilt: Für den einstweiligen Rechtsschutz – Anordnung der aufschiebenden Wirkung sowie Einstweilige Anordnung – ist essentiell, dass eine besondere Eilbedürftigkeit besteht. Dies bedeutet, dass das Abwarten des Widerspruchs- und ggf. anschließenden Klageverfahrens nicht zugemutet werden kann, da der Hilfebedürftige ansonsten in eine existentielle Notsituation gerät.

Wichtig für die einstweilige Anordnung

Bei einer einstweiligen Anordnung besteht die zwingend erforderliche Notsituation beispielsweise, wenn der Bürgergeld Anspruch eines Hilfebedürftigen (ungerechtfertigt) abgelehnt wird.

Dies muss bei der Beantragung der Einstweiligen Anordnung entsprechend glaubhaft gemacht werden:

  • Der Antragsteller muss deutlich machen, weshalb er einen Anspruch auf die widersprochenen/ angeklagten Leistungen hat.
  • Als Anordnungsgrund muss eine besondere Eilbedürftigkeit zu erkennen sein.

Wichtig für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung

Bei der Anordnung einer aufschiebenden Wirkung besteht eine Notsituation.

Beispiel: Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden plötzlich nicht mehr vom Jobcenter bezahlt oder Bürgergeld Leistungen werden per Sanktionsbescheid gekürzt oder ganz abgelehnt.

Im Antrag auf Anordnung einer aufschiebenden Wirkung muss deshalb folgendes dargelegt werden:

  • Der Antragsteller muss darlegen, weshalb der angefochtene Verwaltungsakt des Jobcenters sehr wahrscheinlich rechtswidrig ist und im Klageverfahren aufgehoben werden würde.
  • Eine besondere Eilbedürftigkeit ist unerlässlich und muss zu erkennen sein.

Antrag auf einstweillige Anordnung stellen

Der Eilantrag ist zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens zulässig. Es ist also irrelevant, ob sich die Angelegenheit noch im Widerspruchsverfahren beim Jobcenter befindet oder bereits Klage erhoben wurde.

Tipp: Sollte die Notsituation jedoch bereits von Anfang an klar sein, empfiehlt es sich, den Eilantrag parallel zum Widerspruch zu stellen.

Der einstweilige Rechtsschutz kann vom Anwalt oder vom Kläger selbst beantragt werden. Er wird schriftlich an das Sozialgericht gestellt.

Aus dem Antrag müssen die oben aufgeführten Sachverhalte hervorgehen. Die wichtigste Voraussetzung für den Antrag ist jedoch, dass ohne den einstweiligen Rechtsschutz eine Notlage droht.

Bedeutung einer einstweiligen Entscheidung

Es gilt zu beachten, dass eine Entscheidung im Eilverfahren längstens bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren gültig ist.

Außerdem: Ein erfolgreich durchgeführtes Eilverfahren bedeutet nicht automatisch, dass die Entscheidung des Gerichts im Hauptverfahren dann genauso ausfällt. Denn die Sachlage wird im Eilverfahren nicht so umfangreich geprüft wie später im Hauptverfahren, sodass das Gericht hier durchaus auch zu einer anderen Entscheidung gelangen kann.

Sollte sich im Hauptverfahren rausstellen, dass die einstweilige Entscheidung des Gerichts nicht korrekt gewesen und der Leistungsempfänger zu Unrecht (zu viel) Bürgergedl Leistungen erhalten kann, kann es sogar zu einer Rückforderung kommen.

Letzte Aktualisierung: 22.09.2023