Zum Inhalt springen

Untätigkeitsklage gegen Jobcenter

Klage bei Untätigkeit des Jobcenters

Beim Jobcenter dauert es häufig länger, bis Bürgergeld Leistungsempfänger bzw. Antragsteller überhaupt einen Bescheid erhalten, der Aufschluss über die Leistungen gibt und endlich Zahlungen zur Sicherung des Lebensunterhalts fließen. Doch Bürgergeld Betroffene können sich wehren, wenn der Leistungsträger bei der Bearbeitungszeit den Bogen überspannt.

Mittel gegen zu lange Bearbeitungsdauer

Grundsätzlich haben Bürgergeld Empfänger bzw. Antragsteller die Möglichkeit, Untätigkeitsklage beim Sozialgericht zu erheben, wenn das Jobcenter für die Vornahme eines Verwaltungsaktes (Bescheid) länger als im § 88 SGG als angemessen benötigt. Dabei gelten Bearbeitungszeiten nach dem Gesetz für

  • alle Anträge – sechs Monate
  • Widerspruch – drei Monate

ab Antragstellung bzw. Widerspruch als angemessen. Diese Fristen werden den Jobcentern eingeräumt, um eine Entscheidung zu treffen. Vor Ablauf dieser Fristen wird das Sozialgericht eine Untätigkeitsklage als unbegründet zurückweisen.

Als Antrag ist dabei nicht nur der allgemeine Bürgergeld Antrag gemeint, sondern jegliche Beantragung von Leistungen beim Jobcenter. Dies können beispielsweise auch sein:

In Ausnahmefällen darf Jobcenter Fristen überschreiten

Ausnahmsweise kann das Jobcenter die Frist von drei bzw. sechs Monaten überschreiten, wenn es dafür einen ausreichenden Grund gibt. Ein solcher Grund kann beispielsweise vorliegen

  • aufgrund einer Umstellung der Software (organisatorische Änderungen im Jobcenter)
  • einer hohen Arbeitsbelastung aufgrund von Gesetzesänderungen
  • wenn ein Bürgergeld Empfänger zeitgleich eine Vielzahl von Anträgen stellt (SG Berlin 10.01.2012 – S 96 AS 26664/11).
  • bei einem besonders umfangreichen und schwierigen Sachverhalt (z.B. wegen des Einholens von medizinischen Gutachten)

Das Jobcenter darf sich übrigens nicht auf generellen Personalmangel berufen.

Liegt ein ausreichender Grund vor, setzt das Sozialgericht das Verfahren aus und räumt dem Jobcenter eine Frist ein, innerhalb der es über den Antrag bzw. den Widerspruch entscheiden muss. Kann das Jobcenter dagegen keinen Grund für die lange Bearbeitungszeit vorweisen, wird es vom Sozialgericht zur unmittelbaren Entscheidung über den Antrag bzw. den Widerspruch verurteilt.

Eilbedürftigkeit – einstweilige Anordnung statt Untätigkeitsklage

Handelt es sich um eine finanzielle Notsituation und besteht Eilbedürftigkeit, ist die Untätigkeitsklage nicht der richtige Weg. In diesen Fällen sollte zuallererst sofort ein Bürgergeld Vorschuss auf die beantragt werden. Wird dieser nicht bewilligt, ist eine sogenannte einstweilige Anordnung ratsam. Mit dieser wird die vorläufige Auszahlung der Bürgergeld Leistungen beantragt, um die dringend benötigte Hilfe vom Jobcenter zu erhalten.

Die einstweilige Anordnung wird ebenfalls beim Sozialgericht beantragt. Dabei muss glaubhaft gemacht werden, dass ein Anspruch auf die vom Jobcenter geforderte Bürgergeld Leistung besteht und es bei einer verzögerten Auszahlung aufgrund völliger Mittellosigkeit deshalb zu einer Notlage kommt, da der Lebensunterhalt und damit das Existenzminimum nicht gesichert sind.

Für eine einstweilige Anordnung benötigen die Sozialgerichte oftmals mehrere Tage. Gibt das Sozialgericht dem Antrag statt, wird das Jobcenter unmittelbar zur Leistung verpflichtet.

Untätigkeitsklage erheben – Ablauf

Eine Untätigkeitsklage ist grundsätzlich vor dem zuständigen Sozialgericht zu erheben. Für den Prozess ist übrigens – wie grundsätzlich bei Verhandlungen vor dem Sozialgericht – kein Rechtsanwalt notwendig. Bürgergeld Bedürftige können hier also selbst tätig werden. Die Klage kann man selbst schriftlich oder mündlich erheben, aber natürlich kann auch ein Rechtsanwalt mit der Klageerhebung beauftragt werden. 

Tipp: Viele Rechtsanwälte erheben die Klage übrigens kostenlos, da sie die Gebühren vom Jobcenter bezahlt bekommen (müssen).

Ziel der Klage

Mit der Untätigkeitsklage wird das Jobcenter durch das Sozialgericht dazu verpflichtet, z.B. über den Bürgergeld Antrag oder einen Widerspruch zu entscheiden. Ein solches Bescheidungsurteil bewirkt, dass die Behörde nun unmittelbar über den Antrag bzw. den Widerspruch einen Bescheid erlässt. Auf den Inhalt des Bescheids hat die Klage dabei keinen Einfluss. Das Gericht legt lediglich fest, dass das Jobcenter entscheiden muss, aber nicht wie.

Worauf sollte vor Klageerhebung geachtet werden?

Vor Erhebung der Untätigkeitsklage sollte der Bürgergeld Empfänger das Jobcenter einmalig mit einer Frist von mindestens einer Woche zur Entscheidung über den Antrag bzw. den Widerspruch auffordern. Eine solche Aufforderung sollte einen Hinweis auf eine drohende Untätigkeitsklage enthalten, da die Jobcenter diese Art der Klage unbedingt vermeiden wollen. Eine grundsätzliche Pflicht, das Jobcenter vorab aufzufordern, besteht allerdings nicht. (Hessisches LSG 15.02.2008 -Az. L 7 B 184/07 AS).

Mitwirkungspflicht

Jedoch sollten Leistungsempfänger unbedingt die eigene Mitwirkungspflicht bedenken. Denn ein Antrag muss vollständig sein und alle wesentlichen Angaben enthalten, damit das Jobcenter darüber entscheiden kann. Gleiches gilt auch für den Widerspruch, der in jedem Fall begründet werden muss. Wer also sicher gehen will, ob er seinerseits alles getan hat, sollte zwischenzeitlichen beim Jobcenter nachfragen.

Das Bundessozialgericht hat diesbezüglich entschieden, dass bei unvollständigen Unterlagen die Antragsteller von der Behörde auf ihre Mitwirkungspflicht hingewiesen werden müssen, um Untätigkeitsklagen zu vermeiden (BSG Urteil  vom 26.08.1994- Az. 13 RJ 17 /94; LSG Niedersachsen Bremen Urteil vom 19. März 2014 – Az. L 13 AS 233/12).

Fehlen Unterlagen und wurden trotz Aufforderung des Jobcenters beim Bürgergeld Antrag nicht nachgereicht bzw. der Widerspruch nicht begründet, wird der Leistungsträger nach Aktenlage entscheiden. Bei fehlenden bzw. unvollständigen Angaben führt dies regelmäßig zu Ablehnungsbescheiden oder nur einer teilweisen Leistungsgewährung.

Wie lange dauert eine Untätigkeitsklage?

Grundsätzlich müssen die Sozialgerichte einen Rechtsstreit zügig entscheiden, allerdings hängt das immer stark vom Einzelfall und der Auslastung des Sozialgerichts ab. Betroffene berichten meist von einer Verfahrensdauer von zwei bis drei Monaten, allerdings sind auch sechs Monate keine Seltenheit (vgl. SG Gießen 25.02.2013 – Az. S 27 AS 686/12).

Liegt Eilbedürftigkeit vor, da der Lebensunterhalt und damit die Existenz stark gefährdet sind, ist die Untätigkeitsklage aufgrund der teilweise langen Verfahrensdauer nicht zu empfehlen, siehe dazu auch weiter unten.

Kosten der Untätigkeitsklage

Das Verfahren vor dem Sozialgericht ist für den Leistungsempfänger kostenfrei. Kosten entstehen nur dann, wenn ein Rechtsanwalt beauftragt wird und der Rechtsstreit verloren wird. Allerdings ist das in Fällen der Untätigkeitsklage unwahrscheinlich, da eine Klage wegen Untätigkeit immer begründet ist, wenn das Jobcenter die Fristen zur Bescheidung über einen Antrag oder Widerspruch überschreitet.

Bürgergeld Bedürftige können auch Prozesskostenhilfe beantragen, sodass die Kosten des Rechtsanwalts vom Staat übernommen werden oder zumindest Ratenzahlung vereinbart wird. Dies ist jedoch nur in Fällen interessant, bei denen der Ausgang des Verfahrens ungewiss ist, beispielsweise bei einer Leistungsklage.

Mustervorlage Untätigkeitsklage – Vordruck

Wer keinen Anwalt beauftragen möchte, kann die nachfolgende kostenlose Mustervorlage mit seinen Daten ergänzen und an das zuständige Sozialgericht schicken oder zur Rechtsantragstelle des Sozialgerichts gehen und die Klage von der Geschäftsstelle aufnehmen zu lassen. Die Rechtsantragstelle hilft regelmäßig bei der Formulierung, allerdings erfolgt keine Rechtsberatung.

Muster Vordruck bei Antrag

Vordruck für eine Untätigkeitsklage, wenn das Jobcenter die Frist von 6 Monaten für die Bearbeitung eines Antrags überschreitet.

Word-Datei (.doc; 27kB)

Muster Vordruck bei Widerspruch

Vordruck für eine Untätigkeitsklage, wenn das Jobcenter die Frist von 3 Monaten für die Bearbeitung eines Widerspruchs überschreitet.

Word-Datei (.doc; 27kB)

Jobcenter fällt Entscheidung während des Verfahrens

Fällt das Jobcenter während des Verfahrens der Untätigkeitsklage eine Entscheidung und erlässt einen entsprechenden Bescheid – unabhängig ob Bewilligungs- oder Ablehnungsbescheid – ist die Klage hinfällig, da das bloße Ziel der Untätigkeitsklage darin besteht, das Jobcenter zu einer Entscheidung zu bewegen. Mit Erlass eines Bescheides ist diese Entscheidung herbeigeführt.

Kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage bei Ablehnungsbescheid

Hat das Jobcenter einen Bescheid erlassen, ist die Fortführung der Untätigkeitsklage unzulässig. Handelt es sich bei dem Bescheid allerdings um einen Ablehnungsbescheid, was bedeutet, dass das Jobcenter die Leistungen nicht bzw. nur teilweise bewilligt, kann der Bürgergeld Empfänger sich nahtlos mit einer weiteren Klage wehren. Allgemeine Informationen zur Klageerhebung unter Klage gegen Jobcenter.

In diesen Fällen kann in unmittelbaren Anschluss eine sogenannte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben werden (§ 54 Abs. 4 SGG). Mit dieser Klage wird dann das Ziel verfolgt, den Ablehnungsbescheid aufzuheben und gleichzeitig das Jobcenter zur Vornahme der gewünschten Leistung zu verurteilen.

Die Untätigkeitsklage kann direkt in eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage umgeändert und fortgeführt werden (BSG, 04.11.2009- B 8 SO 38/09 B).