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Hausbesuche vom Amt

Frau klopft an Tür

Bezieher von Bürgergeld müssen grundsätzlich damit rechnen, dass Mitarbeiter oder Beauftragte des Jobcenters sie im Außendienst zu Hause aufsuchen könnten. Diese Hausbesuche dürfen aber nur bei einem begründetem Verdacht erfolgen und sollen nicht als Schikane gegen Leistungsbezieher eingesetzt werden.

Hausbesuche nur bei begründeten Zweifeln

Ein Hausbesuch muss die Ultima Ratio (letztes Mittel) sein, um offene Fragen zu klären. Die Behörde muss vorher prüfen, ob es nicht andere Wege der Sachverhaltsaufklärung gibt, da der Hausbesuch für den Betroffenen regelmäßig eine besondere Belastung mit sich bringt. In diesem Sinne ist ein Hausbesuch nur erlaubt, wenn Fragen nicht anderweitig geklärt werden können.

Das Gesetz verbietet jedenfalls Hausbesuche nicht. Unbegründete Hausbesuche sind letztlich sinnlos und angesichts der Masse der Fälle unwirtschaftlich.

Individuelle Situation des Leistungsbeziehers

Mit dem Außendienst des Jobcenters ist dann zu rechnen, wenn der Betroffene selbst Anhaltspunkte liefert oder Zweifel nährt, die die Behörde veranlasst, Überlegungen anzustellen, ob denn tatsächlich alles so ist, wie es in den Akten steht – insbesondere unplausible Angaben bzw. Anhaltspunkte zur Größe und Anzahl der Personen in der Bedarfsgemeinschaft, Zusammenleben mit einem Partner, Erreichbarkeit etc.

Wenn es an der Haustür klingelt

Wenngleich die Fachlichen Weisungen zum § 6 SGB II zur Durchführung des Außendienstes schreiben, dass ein Hausbesuch angekündigt werden sollte, muss er dies nicht tun. Der Hausbesuch kann, muss aber nicht angekündigt werden. Insbesondere beim Verdacht auf einen Leistungsmissbrauch oder Ermittlungen zum tatsächlichen Aufenthalt von Bürgergeld Bedürftigen wird der Außendienst aus ermittlungstaktischen Gründen auf eine vorherige Ankündigung verzichten und sich mit dem Überraschungscharakter eine zusätzliche Aufklärungsmöglichkeit versprechen.

Grundsätzliches zum Hausbesuch des Außendienstes:

  • bei Hausbesuchen handelt es sich eher um eine Ausnahme und nicht die Regel
  • meist kommen zwei Außendienst-Mitarbeiter des Jobcenters zu einem Hausbesuch, dies dient den Beweiszwecken
  • beide Mitarbeiter müssen sich mit ihrem Dienstausweis ausweisen
  • Jobcenter dürfen keinen Druck auf den Bürgergeld Bedürftigen ausüben, um in die Wohnung zu gelangen. Dazu gehört auch, dass keine Drohungen ausgesprochen werden dürfen
  • Der Bürgergeld Bedürftige muss zu Beginn des Besuchs bzw. bereits bei einer Ankündigung über die Gründe hierfür informiert werden
  • Die Mitarbeiter müssen nicht in die Wohnung gelassen werden und der Bürgergeld Bedürftige muss auch darüber informiert werden, dass er einen Hausbesuch ablehnen kann
  • Lässt man die Mitarbeiter rein, kann der Hausbesuch vom Bedürftigen abgebrochen werden
  • ohne ausdrückliche Genehmigung des Betroffenen ist die Einsicht in Schränke etc. für die Außendienstmitarbeiter Tabu
  • während des gesamten Besuchs ist der Betroffene über die Verfahrensabläufe zu informieren und hat Einsicht in das Prüfprotokoll
  • nach Abschluss des Hausbesuchs hat der Betroffene Anspruch auf eine Kopie des Prüfprotokolls (Durchschlag, Foro mit dem eigenen Handy etc.) und kann zudem direkt eine Gegendarstellung erstellen, die mit zu den Akten genommen werden muss

Hausbesuch darf nicht zur Hausdurchsuchung werden

Zwar dient der Hausbesuch der Sachaufklärung zu einem Bürgergeld Antrag, jedoch ist der Bedürftige nicht verpflichtet, den Behördenmitarbeiter in seine Wohnung zu lassen. Die Wohnung ist grundgesetzlich nach Artikel 13 GG geschützt. Lässt man den Jobcenter-Außendienst in die Wohnung, entscheidet man selbst, welche Räume betreten werden können.

Ein Hausbesuch ist keine Hausdurchsuchung wie im Krimi, mit richterlichem Beschluss, so dass Räume nicht eigenmächtig begangen oder Schränke, Truhen etc. von den Mitarbeitern geöffnet werden dürfen – es sei denn, man gibt ausdrücklich sein Einverständnis.

Keinesfalls darf der Behördenmitarbeiter minderjährige Kinder, Nachbarn, Hausmeister oder Hausverwalter befragen. Fotoaufnahmen in der Wohnung bedürfen der Zustimmung des Inhabers der Wohnung.

Richterlicher Durchsuchungsbeschluss

Die Obrigkeit darf Wohnungen ohne Einverständnis nur betreten, wenn der Zutritt richterlich genehmigt ist. Dann steht aber in der Regel die Staatsanwaltschaft mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss vor der Tür und nicht der Außendienst des Jobcenters. Ein solcher wird nur ausgestellt, wenn konkrete Verdachtsgründe für eine Straftat bestehen, also konkret ein Leistungsmissbrauch und somit Betrug anzunehmen ist. Allenfalls setzt sich der Leistungsbezieher dem Verdacht aus, dass er möglicherweise etwas zu verbergen hat.

Beispiel: Die Behörde kann Hausrat, der weit über das übliche Maß hinausgeht, bei der Leistungsbewilligung berücksichtigen, da der Leistungsbezieher nur über einen angemessenen Hausrat verfügen darf und verpflichtet ist, Luxusgegenstände zu verwerten.

Jobcenter in der Beweispflicht

Hierzu ist aber wiederum Voraussetzung, dass die Behörde den Besitz von Luxusgegenständen nachweisen kann. Kann sie nicht in die Wohnung, ist dies schwierig. Letztlich ist die Behörde in der Beweispflicht. Allein aus dem Umstand, dass der Zutritt zur Wohnung verweigert wird, darf sie keine unmittelbar negativen Rückschlüsse ziehen.

Eigenmächtiger Zutritt kann strafrechtlich verfolgt werden

Ein Behördenmitarbeiter, der sich eigenmächtig Zutritt zur Wohnung verschafft, begeht auf jeden Fall strafbaren Hausfriedensbruch. Je nach Situation kommen die folgenden Straftatbestände in Betracht:

  • Nötigung
  • Bedrohung
  • oder Beleidigung

Tipp: Ungeachtet der strafrechtlichen Beurteilung kann der Bürgergeld Bezieher auch Dienstaufsichtsbeschwerde beim Leistungsträger erheben und sich über das Verhalten des Mitarbeiters beschweren. Dies erscheint unter dem Gesichtspunkt sinnvoll, dass damit einer eventuell negativen Sachbearbeitung durch diesen Mitarbeiter vorgebeugt und der Vorfall aktenkundig gemacht wird.

Observierung verboten – Ergebnisse aber verwertbar

Auch die Observierung des Bürgergeld Leistungsbeziehers durch das Jobcenter ist nicht erlaubt, allerdings sollen daraus sich ergebende Erkenntnisse, auch wenn keine Rechtsgrundlage dafür bestehe, verwertbar sein (Landessozialgericht NRW, 08.06.2011- L 12 AS 201/11 B ER).

Richtiges Verhalten bei einem Hausbesuch

Lässt sich ein Hausbesuch nicht vermeiden, weil das Jobcenter einen begründeten Verdacht nachweisen kann, ist der Leistungsbezieher gut beraten, sich kooperativ zu verhalten. Er sollte nicht sofort unterstellen, dass er benachteiligt werden soll.

Schließlich ist er derjenige, der finanzielle Leistungen beantragt hat und alles tun muss, um eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen. Höflichkeit und Kooperation sind Eigenschaften, die beide Seiten voneinander erwarten.

Zeuge von Vorteil

Das Problem für den Betroffenen besteht natürlich darin, dass er den Behördenmitarbeiter zwar nicht in die Wohnung zu lassen braucht, dann aber damit rechnen muss, dass das Amt seinen Leistungsanspruch nicht zweifelsfrei feststellen und im ungünstigsten Fall ablehnen kann und zur Begründung auf die fehlende Mitwirkung des Betroffenen verweist. Was richtig und angemessen ist, bestimmt sich immer im Einzelfall.

In jedem Fall ist dem betroffenen Bürgergeld Empfänger angeraten, eigene Zeugen zum Hausbesuch mit hinzuzuziehen, die auch im Nachhinein die Vorgehensweise der Jobcenter Mitarbeiter und alles Gesagte bezeugen können.

Zum Schluss: Gesetzliche Grundlagen für Hausbesuche vom Amt

Bedarfsermittlungsdienst des Leistungsträgers

Nach § 6 Abs. 1 SGB II können die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Bundesagentur für Arbeit, kreisfreie Städte und Kreise, kommunale Träger) zu ihrer Unterstützung Dritte mit der Wahrnehmung von Aufgaben beauftragen. Insbesondere sollen sie einen Außendienst zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch einrichten, den sog. Bedarfsermittlungsdienst.

Mitwirkungspflichten des Bürgergeld Empfängers

Ferner bestimmt § 60 SGB I, dass der Bezieher einer Sozialleistung verpflichtet ist, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Gemäß § 66 SGB I riskiert er, dass er dann, wenn er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt und dadurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, dass das Jobcenter ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise entzieht (Sanktionen wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten). Das Gleiche gilt, wenn der Leistungsberechtigte absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.

Hausbesuche zur Beweisführung erlaubt

In §§ 20, 21 SGB X ist bestimmt, dass die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt und Art und Umfang der Ermittlungen nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Zur Beweisführung darf sie auch den „Augenschein einnehmen“, also Hausbesuche machen.

Nach § 21 Abs. 2 SGB X ist der Leistungsbezieher bei der Ermittlung des Sachverhalts zur Mitwirkung verpflichtet.

Titelbild: naito29 / shutterstock.com

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